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Bundesteilhabegesetz – ein Quantensprung

Das neue Bundesteilhabegesetz (BTHG): Ein Thema, das derzeit besonders Angehörige und gesetzliche Betreuer von Menschen mit einer geistigen Behinderung beschäftigt. Erläutert hat den aktuellen Stand des Gesetzes Rechtsanwalt Dr. Peter Krause aus Reutlingen, der selbst ein Kind mit einer Behinderung hat. Infoveranstaltungen der Stiftung Liebenau sind rund 300 Angehörige und Betreuer gefolgt.

Das Bild zeigt zwei Menschen beim Ausräumen der Spülmaschine

Künftig wird nicht mehr unterschieden, ob jemand innerhalb oder außerhalb einer Einrichtung lebt. Auch wer stationär wohnt, hat künftig einen Mietvertrag.

Das Bild zeigt Dr. Peter Krause beim Vortrag zum Bundesteilhabegesetz

Rechtsanwalt Dr. Peter Krause verdeutlichte den Zuhörern das Bundesteilhabegesetz konkret.

Das Bild zeigt die Mitglieder des Modellprojektes

Zum Auftakt des Modellprojektes trafen sich die Verantwortlichen der Stiftung Liebenau und vom Landratsamt Bodenseekreis.

„Das Bundesteilhabegesetz ist modern und richtungsweisend. Es wird starken Einfluss haben, wie Menschen mit Behinderungen künftig Unterstützung, Betreuung und Förderung erhalten“, führte Jörg Munk, Geschäftsführer der Liebenau Teilhabe in das Thema ein. Im Mittelpunkt des Gesetzes, das 2017 in Kraft trat und in mehreren Schritten umgesetzt wird, steht künftig die einzelne Person mit ihrem individuellen Unterstützungsbedarf. Die 2009 von Deutschland ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention dient als Grundlage für das BTHG.

Lebendige Darstellung
Den Interessierten den Inhalt näher zu bringen, gelang Rechtsanwalt Dr. Peter Krause auf anschauliche und lebendige Art. Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen: So lautet der offizielle Titel des BTHG treffend. Menschen mit Unterstützungsbedarf erhalten damit Rechte, die ihnen eigentlich schon immer zustehen. Individuelle Assistenzleistungen lösen Pauschallösungen ab, die es künftig nicht mehr geben wird. Krause nennt das BTHG einen Quantensprung. Er verglich seine Umsetzung mit dem Bau der Pyramiden. Auch damals habe man etwas Großes geschaffen, habe aber auch Zeit gebraucht und auch damals habe es Kritiker gegeben.

Sicherungssysteme für alle offen
Künftig wird nicht mehr unterschieden, ob jemand innerhalb oder außerhalb einer Einrichtung lebt. Auch wer stationär wohnt, hat dann einen Mietvertrag. Leistungen der Teilhabe setzen sich aus den Bereichen der medizinischen Rehabilitation, des Arbeitslebens, der Bildung und des sozialen Lebens zusammen. Andere soziale Sicherungssysteme, wie Kranken- und Pflegeversicherung, Rentenversicherung oder die Agentur für Arbeit werden auch für Menschen mit Behinderungen geöffnet. Bisher konnten sie daran kaum partizipieren. Ein Novum des Gesetzes ist, dass der Mensch mit Behinderung beziehungsweise dessen gesetzlicher Betreuer oder Angehörige bei der Teilhabeplanung zusammen mit den zuständigen Leistungsträgern am Tisch sitzen. Neuerungen sind auch die Verbesserung der Einkommensanrechnung für den Personenkreis, ebenso die Förderung alternativer Beschäftigungs- und Finanzierungsmöglichkeiten zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Gesetzliche Betreuer und Angehörige sind gefragt
Kritisch sieht Krause, dass das Gesetz ohne praktische Erkenntnisse und Vorerfahrungen auf den Weg gebracht werden soll. „Die zur Verfügung stehende Umsetzungszeit bis 1. Januar 2020 ist viel zu knapp, angesichts der Fülle an Aufgaben, die auf die betroffenen Personen, die Leistungsträger und die Träger von Einrichtungen und Diensten zukommt“, stellte Krause fest. Viele praktische Fragestellungen seien auf der Ebene des jeweiligen Bundeslandes noch nicht gelöst. Daher sei es verständlich, dass Angehörige und gesetzliche Betreuer in Sorge auf Grund der unklaren Rahmenbedingungen seien. Krause betonte mehrfach, dass durch das BTHG ein höherer Einsatz der Vertreter der Betroffenen gefragt sei. „Es kommt auf Sie an in diesen Planungsgesprächen, Selbstbestimmung heißt sich einzubringen.“ Anträge für Leistungen der Teilhabe müssten von den Angehörigen oder Betreuern vermutlich bis spätestens Mitte 2019 bei den zuständigen Behörden gestellt werden. Jörg Munk versicherte den Angehörigen und Betreuern, dass die Liebenau Teilhabe ihnen beratend und unterstützend zur Seite steht und rechtzeitig über notwendige Schritte informiert.

Modellhafte Erprobung im Bodenseekreis
Um die neuen Vorschriften und Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes beurteilen zu können, werden die neuen Regelungen und deren Umsetzbarkeit mit bestimmten Klienten in einem Modellprojekt erprobt: Dabei stehen Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung im Mittelpunkt, die Assistenzleistungen im Bereich Wohnen der Stiftung Liebenau nutzen. Den Projektpartnern Stiftung Liebenau und Sozialamt Bodenseekreis „bietet sich nun die Gelegenheit die jeweiligen Prozesse noch besser zu verstehen und entsprechend der neuen Vorschriften weiterzuentwickeln“, so der Sozialamtsleiter Ulrich Müllerschön beim Projektauftakt.


In der Praxis könne man Rückschlüsse auf die Veränderung der Lebenssituation ziehen und gegebenenfalls eine Schlechterstellung beispielsweise der Menschen mit hohem Hilfebedarf frühzeitig an das Land und den Bund zurückspiegeln. Jörg Munk, Geschäftsführer der Liebenau Teilhabe und gleichzeitig Mitglied im Lenkungsausschuss des Modellprojektes, warnt davor, dass für Menschen mit geistiger und schwerst-mehrfacher Behinderung eine Leistungslücke entsteht.


Die Ergebnisse aus dem Modellprojekt sollen auch Erkenntnisse liefern, wie der Systemwechsel innerhalb der Verwaltung (Landratsamt) und den Dienstleistungsunternehmen (wie der Stiftung Liebenau) systemgerecht und praktikabel vollzogen werden kann. Zudem sollen dem Bund frühzeitig Hinweise auf mögliche Veränderungsbedarfe bei der gesetzlichen Umsetzung gegeben werden und das Land Baden-Württemberg in seiner Steuerungsfunktion der Eingliederungshilfe unterstützt werden.

Präsentation zum Bundesteilhabegesetz

Das Bundesteilhabegesetz

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