Frau von Bünau, zunächst mal ganz allgemein gefragt: Was unterscheidet Stiftungen von anderen Organisationen und Unternehmen?
Friederike von Bünau: Im Grunde basieren Stiftungen auf einer einfachen und gleichzeitig radikalen Idee: Da gibt jemand sein Geld aus der Hand und widmet es einem definierten Zweck. Aus der Stifterautonomie wird damit eine Stiftungsautonomie. Die Stiftung gehört sich selbst, sie ist weder der politischen Willensbildung noch irgendwelchen Eigentümer- oder Aktionärsinteressen unterworfen, sondern nur ihrem Zweck verpflichtet. Der wiederum ist in der Regel für die Ewigkeit festgelegt, unterliegt also auch nicht den Wandlungen des Zeitgeistes. Schauen Sie die vielen alten Stiftungen in Deutschland an, die funktionieren immer noch. Stiftungen haben – gerade aufgrund ihrer Autonomie – große Freiheit. Sie können im Rahmen ihrer Satzungszwecke Neues ausprobieren, Mittel bereitstellen für Innovationen oder besondere Forschungsvorhaben. Aber diese Freiheit ist mit Verantwortung verbunden.
Worin liegt diese besondere Verantwortung?
Friederike von Bünau: Gemeinnützige Stiftungen, das sind etwa 95 Prozent, sind steuerbegünstigt. Schon deshalb tragen sie eine besondere Verantwortung. Sie müssen mit ihrem Geld so umgehen, dass es dem Gemeinwohl dient. Sie sind Teil der Gesellschaft – das ist es übrigens, was die Stifterinnen und Stifter in der Regel motiviert: Sie wollen die Gesellschaft mitgestalten.
In der Geschichte waren Stiftungen meist Initiativen Einzelner: wohlhabende Menschen, die der Gesellschaft etwas zurückgeben und ihre Impulse setzen wollten. Inzwischen spielen Kooperationen mit Kommunen, Unternehmen, anderen Akteuren der Zivilgesellschaft eine deutlich größere Rolle. Oder schauen Sie zum Beispiel die Bürgerstiftungen an, eine recht junge Entwicklung in der Stiftungslandschaft. Bürgerinnen und Bürger wollen am demokratischen Zusammenleben in ihrer jeweiligen Stadt mitwirken. Da ist weniger das Geld das Entscheidende, sondern vielmehr ehrenamtliches Engagement und Ideen.
Diese Idee, Stiftungen als Teil der Zivilgesellschaft zu denken, ist angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen – auch auf europäischer Ebene – wichtig, um sich gegenseitig zu stärken.
In seinen Grundsätzen guter Stiftungspraxis legt der Bundesverband einen besonderen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Was heißt das konkret?
Friederike von Bünau: Die Grundsätze guter Stiftungspraxis waren ursprünglich vor allem auf Managementthemen wie Transparenz oder den Umgang mit Interessenskonflikten bezogen. Vor zwei Jahren hat der Bundesverband sie um Positionen zu gesellschaftspolitischen Themen erweitert, darunter auch zur nachhaltigen Entwicklung – orientiert an der UN-Agenda 2030 und am Pariser Klimaschutzabkommen. Wir sind im Verband der Meinung, dass es an der Zeit ist, sich zu diesen Themen zu positionieren. Diese Grund- sätze sind keine Vorschriften, es sind Vorschläge zur freiwilligen Selbstverpflichtung. Jede Stiftung entscheidet für sich, ob und wie sie sie mit Leben füllt.
Nicht nur die Coronapandemie hat das Jahr 2020 geprägt, sondern politische und humanitäre Krisen weltweit. Wie können Stiftungen zu einer gerechteren und friedlicheren Welt beitragen?
Friederike von Bünau: Jede nach ihren Möglichkeiten in ihrem Umfeld, würde ich sagen. Es gibt die prominenten, international tätigen Stiftungen. Doch es müssen nicht immer die großen Taten sein. Wir können unseren Teil beitragen, wenn wir uns selbst überprüfen: Leben wir das, was wir für die Welt wollen, in unserer Organisation, unserem Umfeld? Das kann sich mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit auf den Umgang mit natürlichen Ressourcen beziehen, oder darauf, ob eine Stiftung ihr Stiftungsvermögen nach ethischen Grundsätzen anlegt.
Danke für das Gespräch, Frau von Bünau.