„Egusi Soup mit Pounded Yam“? Also nach Linsen mit Spätzle klingt das jedenfalls nicht. Auch „Mercimek Çorbası“ oder „Manti“ waren für die Gaumen der meisten Mittagsgäste der „Schillerstraße 15“ wohl Neuland. Die Idee hinter dieser kulinarischen Reise um die Welt: Einmal pro Monat wird – neben dem regulären Mittagsangebot – eine fremde Nation mit einem landestypischen Gericht vorgestellt. Ausgesucht, gekocht und präsentiert von einem Schüler, Azubi oder Mitarbeiter des RAZ oder der unter demselben Dach beheimateten Max-Gutknecht-Schule. Ein wechselndes Team von Jugendlichen mit besonderem Teilhabebedarf hilft dann bei der Zubereitung. Andere beschäftigen sich im Vorfeld mit der jeweiligen Region und erstellen eine Infotafel mit Wissenswertem über Land und Leute. Das i-Tüpfelchen: Am Ende soll aus dem gesammelten Material aus Rezepten, Infos und Porträts ein inklusives Kochbuch entstehen – und noch im Jubiläumsjahr 2018 erscheinen.
Gambia, Türkei, Kirgisistan
Die ersten Kapitel sind jedenfalls schon einmal gefüllt. Dank Nelli Hank, Ausbilderin im Bereich Hauswirtschaft, und ihren kirgisischen Teigtaschen (Manti). Dank Lehrerin Sema Ülker und zwei Azubis aus dem Bäckereiverkauf – alle mit Wurzeln in der Türkei – mit ihrer Linsensuppe (Mercimek Çorbası), einem absoluten Klassiker der türkischen Suppenkultur. Und dank Yusupha Sanneh aus Gambia. Er übernahm zum Auftakt des Kochprojektes die Regie in der Küche. Auf den Speiseplan setzte der 26-Jährige eine Spezialität aus seiner westafrikanischen Heimat: Egusi Soup mit Pounded Yam – eine Art Eintopf mit Melonen-Samen, Fleisch und Gemüse, serviert mit Garnelen und großen, aus der Wurzel Yam bestehenden Klößen. Warum er sich gerade dieses Rezept ausgesucht hat? „Es ist einfach mein Lieblingsgericht!“
Originalrezept wurde etwas „entschärft“
Doch ob seine für deutsche Gaumen vielleicht etwas exotische Leibspeise auch in Ulm ankommt? Und wie. An der Theke bildete sich eine lange Schlange, alle 40 zubereiteten Portionen wurden von den Jugendlichen an die Gäste, die auch zahlreich von außerhalb des Hauses kommen, verkauft. Und an jedem Tisch gab es viel Lob für den Koch. Gut, ein paar Zugeständnisse seien gemacht worden, um das ursprünglich sehr würzige Gericht auch dem schwäbischen Publikum schmackhaft zu machen. „Er hat das Ganze nicht so scharf gekocht wie im Original“, erklärt Jochen Gerstner, Bildungsbegleiter im RAZ und einer der Initiatoren des Kochprojektes.
Als Geflüchteter nach Ulm gekommen
Hinter der Aktion verbergen sich nicht nur außergewöhnliche Rezepte, sondern auch besondere Geschichten. Wie die von Yusupha Sanneh. Nach mehrmonatiger Flucht, die ihn über Mali und Italien nach Deutschland führte, kam er 2015 in Ulm an. Ganz alleine. Aus seiner Heimat mitgebracht hatte er aber seine kulinarischen Erfahrungen aus der Arbeit in der Gastronomie und seinen Berufswunsch: Koch. Doch dieses Ziel schien damals noch weit entfernt.
Über das FSJ zum Ausbildungsplatz
In der Münsterstadt, wo er in der Flüchtlingsunterkunft Eselsberg ein Dach über dem Kopf fand, lernte Sanneh den damaligen Pfarrer der Ulmer Wengengemeinde, Matthias Hambücher, kennen. Dieser nahm ihn unter seine Fittiche, begleitete den jungen Westafrikaner bei Anhörungen im Asylverfahren und kam auch schon in den Genuss seiner Kochkünste – eine Freundschaft entstand. Und Yusupha Sanneh ging seinen Weg. Nach einem Deutschkurs machte er zunächst ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im RAZ Ulm und bewährte sich in der dortigen Küche: „Es war gleich zu sehen, dass er Ahnung von der Materie hat“, berichtet sein Ausbilder, RAZ-Küchenmeister Reinhard Klein.
„Ich würde gerne hier bleiben“
Tatsächlich blieb Sanneh auch nach dem Ende seines FSJ in der „Schillerstraße 15“. Als Koch-Lehrling, eingestellt vom RAZ. „Es gefällt mir hier alles sehr gut“, strahlt der Gambier – und hat ehrgeizige Pläne. Nach seiner Kochausbildung soll noch nicht Schluss sein. „Dann möchte ich den Meister machen, wenn es möglich ist.“ Was bei ihm noch möglich ist, das liegt leider nicht nur in seiner Hand. Alles hängt davon ab, wie es mit seinem Asylverfahren weitergeht. Was er sich wünscht, ist klar: „Ich würde gerne hier in Deutschland bleiben.“