Herr Weiss, wie geht es Ihnen, dem Team und Ihren Bewohnern?
Am Anfang gab es doch eine große Unsicherheit, mitunter auch Angst. Mit der Zeit geht es jedoch ganz gut. Wir haben gelernt, die ganze Sache zu Entzerren. Die Lebensbereiche der Klienten wachsen zwar zusammen, jedoch sind sie aus ihrem normalen Alltag rausgerissen. Besuche innerhalb des Hauses sind nicht möglich, da sie in der eigenen Wohngruppe bleiben müssen. Da muss man sich schon gegenseitig ertragen können. Was geht, sind Spaziergänge (1 Mitarbeiter mit 1 Bewohner) oder, dass man mal im Garten grillt.
Was fehlt den Bewohnern am meisten?
Kirchenbesuche, Freundschaften pflegen, Besuche von Freunden und Verwandten. Das ist oft auch mit Tränen verbunden. Wir als Mitarbeitende versuchen dann, zu trösten und zu erklären. Durch die Aktion Mensch haben wir ein Tablet bekommen. So ist es leichter seine Lieben live zu sehen und dann auch verständlicher für die Menschen mit Einschränkungen.
Was ist für Sie die größte Herausforderung an der momentanen Situation?
Den Sicherheitsabstand unter den Bewohnern und mit den Betreuern einzuhalten. Unser Büro ist relativ klein für drei Wohneinheiten. Die Übergaben sind eine Herausforderung. Team-Besprechungen sind so nicht gut möglich.
Was machen Sie alternativ, wenn sie gewisse Freizeitaktivitäten nicht anbieten können?
Wir machen mehr Dinge, die man eben gut im Haus machen kann. Wir basteln viel, wir backen zusammen Kuchen, aber lesen auch und schauen Filme.
Befürchten Sie, dass irgendwann die Stimmung kippt, wenn solch ein Zustand noch länger andauert?
Der sogenannte Lagerkoller kommt doch ab und an auf, so wie bei jedem anderen momentan sicherlich auch. Durch unsere pädagogische Arbeit gleichen wir das wieder ganz gut aus. Die Unterstützte Kommunikation hilft uns auch, den Bewohnern zu erklären, warum was gerade passiert. Und der Pädagogische Fachdienst gibt uns Hilfestellung.
Haben die Bewohner Angst? Oder gehen sie eher gelassen damit um?
Am Anfang gab es schon große Angst vor dem Virus. Es war vielen unklar, dass sowas „Gefährliches“ überhaupt existiert. Manche Bewohner hatten plötzlich Angst vor den Betreuern wegen der Maskenpflicht, da unsere Gesichtszüge nicht mehr erkennbar waren. Auch die Betreuer tun sich etwas schwer damit, man bekommt weniger Sauerstoff, es ist sehr heiß.
Mangelt es Ihnen an etwas?
Nein, eigentlich nicht. Da das Einkaufen momentan nicht geht, werden die Lebensmittel derzeit beim Supermarkt in der Nähe bestellt. Man lernt aber auch, genügsam zu sein. Was fehlt, sind die gemeinsamen Ausflüge.
Dann haben Sie genügend Toilettenpapier, Mehl oder Hefe?
(Schmunzelt) Ja, es ist genügend vorhanden. Wir hamstern aber auch nicht.
Was werden Sie als erstes mit ihren Bewohnern machen, wenn die Ausgangsbeschränkungen wieder gelockert werden?
Friseurbesuche! Und ein Ausflug mit dem Zug an den Bodensee. Das wäre schön.
Ihr persönlicher Wunsch für die kommende Zeit?
Dass wir alle gesund bleiben, alle Mitarbeiter und Bewohner. Dass wir so gut wie möglich die Situation meistern. Aber alle Krisen haben auch was Positives: Man hat wieder mehr Zeit für das Wesentliche.
Dankeschön, Herr Weiss, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Alles Gute und bleiben Sie alle gesund!
Die Fragen stellte Vera Ruppert, Abteilung Kommunikation und Marketing, Stiftung Liebenau.
Zur Person:
Benedikt Weiss ist 33 Jahre alt. Er leitet das Haus in der Galgenhalde als Teamleiter seit Eröffnung im Jahr 2018. Nach einer Ausbildung zum Koch machte er eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger und war zuvor am Standort Rosenharz tätig.
*Der Einfachheit halber wurde der Text in der männlichen Anredeform verfasst.