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Meine Geschichte - mein Ritual

Wie geht es Ihnen?

Rituale geben dem Alltag Struktur, schaffen einen Übergang zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Tag und Nacht und zwischen verschiedenen Tätigkeiten. Für unsere Serie haben wir Eleonora Kummerow gefragt. Sie ist Hauswirtschaftsleiterin im Haus St. Raphael in Oberteuringen.

 

„Rituale habe ich nicht“, sagt sie. Zunächst. Doch dann fällt ihr vieles ein, was sie regelmäßig macht. Eigentlich täglich. Jeden Abend beispielsweise nimmt sie sich die Zeit, um den Tag Revue passieren zu lassen. Sie geht spazieren. Überlegt sich, wie der Tag war. Was war gut, was war nicht so gut. „Meine Oma hat immer gesagt: ‚Sei dankbar für das Gute!‘, das hat mich sehr geprägt.“ Die abendliche Reflektion hilft beim Loslassen. Die Schrittzahl, die sie an ihrer Uhr ablesen kann, ist ein Gradmesser für die Zeit, die ein Thema braucht. Manchmal braucht sie mehr, manchmal weniger Schritte. Manchmal schreibt Eleonora Kummerow auch etwas auf. In ihr „Freundebuch“. Die Idee entstand, als sie sich mit einer guten Freundin berufsbedingt nicht mehr so oft sehen konnte. Seither schreiben beide auf, was sie einander gern erzählen würden. Das Aufschreiben erfüllt zwei Zwecke: Den Tag abzugeben und beim nächsten Treffen mit der Freundin daraus vorlesen zu können.

Im Beruf selbst hat Eleonora Kummerow auch ein Ritual, was ihr zunächst nicht als solches bewusst war. Sie fragt ihre Mitarbeiterinnen: „Wie geht es Ihnen?“ Jede einzeln, wenn sie einer von ihnen bei der Arbeit begegnet oder auf dem Gang. Eigentlich eine ganz banale Frage. Für Kummerow ist sie allerdings keine Floskel. Sie möchte wissen, was die Mitarbeiterin in diesem Moment braucht, ob sie vielleicht Unterstützung benötigt. „Ich bin dann ganz bei ihr, wenn ich sie direkt bei ihrer Arbeit frage.“ Es ist für sie auch ein Stimmungsbarometer. Einmal,am Anfang ihrer Tätigkeit im Haus St. Raphael, das im November 2017 eröffnet wurde, hatte sie, die alle  Mitarbeiterinnen siezt, ein Schlüsselerlebnis, das auch für das Team prägend wurde: Eleonora Kummerow fragte eine ihrer Mitarbeiterinnen, wie es ihr ginge, und hörte von ihr „Gut.“ Später erfuhr sie beiläufig über ein Gespräch mit deren Kolleginnen, dass es einen akuten Krankheitsfall ihrer Familie gibt und die Mitarbeiterin deswegen in Sorge war. Kummerow ging dann nochmals auf sie zu und sprach sie darauf an. Die Mitarbeiterin war irritiert, denn sie war es wie viele nicht gewohnt, die Frage ernst zu nehmen. Kummerow fragte sie dann, ob sie etwas für sie tun könne, um sie in der Situation zu unterstützen.

 

Seither hört sie auf ihre Frage fast nie einfach nur: „Gut“. Ihr Team weiß inzwischen, dass sie die Frage ernst meint. „Ich beobachte, dass ein persönliches Gespräch allen guttut. Ich möchte damit auch die Zufriedenheit und Motivation in meinem Team fördern.“ Es sei zwar manchmal ein Spagat zwischen Beruflichem und Privatem. „Aber letztlich erlebe ich, dass mein Team mit mir durch dick und dünn geht“, stellt Kummerow fest.

Falls Sie sich für weitere Artikel aus unserem aktuellen Anstifter interessieren, lesen Sie hier die vollständige Ausgabe: 

Anstifter 2/2019

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