Seitlich streichen für weitere Aufgabenfelder <>

„Wir haben die Zeit“ - Ein Einblick in die Arbeit des Seelsorgeteams

Liebenau - Es gibt Momente im Leben, in denen Worte allein nicht ausreichen. Genau in diesen Augenblicken sind Manuela Gerster, Florian Müller und Jens Fehrenbacher vom Seelsorgeteam da – an der Seite von Menschen, die traurig sind, krank, pflegebedürftig oder im Sterben liegen. Sie bringen vor allem eines mit: Zeit. Zeit für viele Begegnungen, oft unter vier Augen. Im Gespräch erzählen sie von ihren Erfahrungen, von heilenden Gesten und davon, wie religiöse Rituale und eine offene Haltung Räume schaffen können, in denen Menschen aufatmen und sich bedingungslos angenommen fühlen können. Sowohl Klienten als auch Mitarbeitende.

Gruppenbild des Seelsorgeteams.

Das Seelsorgeteam der Stiftung Liebenau (v.l.): Florian Müller, Manuela Gerster und Jens Fehrenbacher.

Gibt es ein besonderes Erlebnis, bei dem Sie die heilende Kraft von spiritueller Begleitung besonders deutlich gespürt haben?

 

Fehrenbacher: Eine Person hatte seit Wochen nichts mehr gesprochen. Wir beteten laut das Vaterunser, sangen noch einen dritten und vierten Vers – und plötzlich bewegten sich ihre Lippen und es kamen Worte. Oder eine andere Situation bei einer Krankensalbung: Die Patientin sang plötzlich mit. Die Angehörige – die mit Glauben, Religion oder Kirche nichts am Hut hatte – war tief berührt. In solchen Momenten merkt man, dass alte Rituale, egal wie man persönlich dazu steht, sehr hilfreich seien können.

 

Gerster: Nach einer Abschiedsfeier waren die Geschwister der verstorbenen Person hinterher sehr bewegt, weil sie gesehen haben, wie würdevoll die Menschen miteinander umgehen und wie groß der Stellenwert des Abschieds bei uns ist. Solche Formen können auch zu einer inneren Versöhnung führen, besonders wenn Konflikte oder unausgesprochene Spannungen da sind. Und auch ein kleines Wunder hat sich ereignet: Wir haben – auch nach einer Krankensalbung - erlebt, dass eine Frau, von der wir dachten, dass sie die Weihnachtsfeiertage nicht überleben würde, anschließend noch drei Jahre gelebt hat.

 

Müller: Ich denke, man darf unsere seelsorgerliche Tätigkeit nicht spirituell überhöhen. Es müssen nicht immer ausdrücklich religiöse Riten sein. Es geht auch darum, wie wir als Mensch wirken, unabhängig vom Beruf, wie wir Beziehungen gestalten. Wenn ich als Seelsorger vom Menschen und seinem Lebenskontext ausgehe und merke, dass er religionsfern ist, kann ich trotzdem versuchen, theologische und christlich-ethische Grundgedanken so zu übersetzen, dass sie frei von kirchlicher Sprache sind, der Inhalt aber dem christlichen Menschenbild entspricht.

 

Welche Rolle spielen religiöse Rituale – etwa das Kreuzzeichen, eine Segnung oder ein Bibelvers – in Ihrer seelsorglichen Begleitung?

 

Gerster: Oft spreche ich ein Gebet, zünde eine Kerze an oder gehe mit der Person in die Kirche. Es gibt aber kein Spezialrezept: Man muss die Form abhängig machen von der Person, die man vor sich hat. Manchmal muss ich auch gar nichts sagen und höre nur zu. Dann verändert sich der Gesichtsausdruck und plötzlich ist wieder Fröhlichkeit da.

 

Müller: Religiöse Angebote wie liturgische Feiern oder Riten, können Gefühlen einen Ort geben und etwas auslösen, da sie persönlich berühren können. Die Menschen, die wir hier begleiten, unterscheiden sich ja nicht von der sonstigen Gesellschaft. Sie alle haben Lebensfragen. Fragen nach dem Sinn des Lebens, Fragen nach Freundschaft, Gemeinschaft, Geborgenheit, nach Heimat. Diese Fragen sind gleich, unabhängig von religiöser Beheimatung.

 

Fehrenbacher: Gerade am Ende des Lebens oder in schwierigen Situationen im Hospiz, wenn man nicht mehr weiter weiß und eigentlich sprachlos ist, kann ein Gebet oder ein Lied Sprachlosigkeit überwinden. Ich habe auch erlebt, dass Personen im Gottesdienst ihre Schmerzen für eine Dreiviertelstunde vergessen konnten.

 

Wie sieht spirituelle Begleitung bei Menschen aus, die in ihrer Sprache oder Kommunikation eingeschränkt sind?

 

Müller: Unsere Abschiedsgottesdienste auf den Wohngruppen laufen bewusst im gleichen Stil ab. Es sind immer mehr oder weniger die gleichen Lieder, gleiche Gebete. Und was grundsätzlich dazugehört: ein Foto des Verstorbenen, das ich vor jeden Einzelnen hinhalte. Und dann kann es passieren, dass er anfängt, das Foto zu streicheln. Insbesondere Gottesdienste sprechen auf vielen Ebenen an, ermöglichen ganz andere sensorische Reize als auf der Wohngruppe. Musik, der Raum, andere Gesichter: Allein das bewirkt etwas. Einer Frau, die palliativ nicht mehr reagiert hat, habe ich zum Beispiel zwei bis drei Monate lang jede Woche einfach nur vorgesungen.

 

Gerster: Manchmal taste ich mich heran, um zu erahnen, wie es einer Person geht. Dann stelle ich Fragen. Oft sehe ich schon am Gesichtsausdruck oder an den Reaktionen, ob ich den Punkt getroffen habe.

 

Fehrenbacher: In der Altenhilfe versuchen wir uns teilweise über die Biografie heranzutasten und schauen, wie jemand reagiert. Zieht die Person die Hand zurück oder dreht sie um, verschränkt sie sie? Dreht sie den Kopf weg oder schaut woanders hin. Wir brauchen viel Sensibilität.

 

Die Fragen stellte Susanne Droste-Gräff.

 

Das ausführliche Interview finden Sie ab S. 14 hier > und Videos vom Seelsorgeteam finden Sie außerdem hier >.

 

 

Bunt, fachlich fundiert und voller Leben: Erfahren Sie in Interviews und Reportagen mehr über unsere spannende Arbeit in unseren Themendossiers >

 


Pressekontakt:
Stiftung Liebenau
Abteilung Kommunikation und Marketing
Siggenweilerstr. 11 
88074 Meckenbeuren 
Telefon +49 7542 10-1181
presse(at)stiftung-liebenau.de