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Heute vor 85 Jahren wurde das Liebenauer „Busbild“ aufgenommen

Meckenbeuren/Liebenau – 2. Oktober 1940: Ein Tag, an dem vor 85 Jahren eine der letzten großen Deportationen von Bewohnerinnen und Bewohner aus der damaligen „Heil- und Pfleganstalt“ Liebenau stattfand. Sie wurden im Rahmen der „NS-Euthanasie“ von Personal der Tötungsanstalt Grafeneck vor dem Eingang des damaligen St. Josefhauses abgeholt. Über 500 Menschen haben diese Erfahrung in den Jahren 1940/41 in Liebenau gemacht, bevor sie ermordet wurden.

Ein altes Foto mit einem roten Bus und Personen davor.

Das Bild aus dem Archiv der Stiftung Liebenau zeigt eine Deportationsszene am 2. Oktober 1940. Ein seltenes Motiv, das inzwischen um die Welt ging. Es zeigt Bewohner, den damaligen Anstaltsarzt Dr. Gebhard Ritter, Schwester M. Fausta, den Pflegehelfer Otto Bantle (ganz rechts) uns Personal der NS-„Euthanasie“. (Foto: Alois Dangelmaier)

Das Josefshaus gibt es inzwischen nicht mehr, es wurde in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts abgerissen. Überdauert hat allerdings ein Foto, das ein zu der Zeit in Liebenau weilender Pfarrer aufgenommen hat. Sein Name: Alois Dangelmaier. Er verbrachte seine Urlaube in den Kriegsjahren in Liebenau und war in dieser Zeit dort Seelsorger für die Bewohner und Beichtpriester für die Ordensschwestern. Und er fotografierte. Auch am 2. Oktober 1940.

 

Identität wurde vor Deportation geprüft

Über 100 Bewohnerinnen und Bewohner standen am 2. Oktober 1940 auf der Transportliste des Innenministeriums. Dem Anstaltsleiter Josef Wilhelm gelang es mit dem Anstaltsarzt Gebhard Ritter und der Schwester M. Fausta 25 Menschen zurückzustellen. Die Übrigen brachte das Liebenauer Pflegepersonal aus ihren Wohnhäusern zu drei ehemaligen Postbussen. Vor dem Einstieg in die Busse an jenem Mittwochmorgen wurde ihre Identität geprüft und Personal der Tötungsanstalt Grafeneck drückte ihnen einen Stempel auf den Unterarm.

 

Heimlich aufgenommenes Foto

Genau diese Szene hat Alois Dangelmaier fotografisch festgehalten. Dass er es heimlich tat, steht außer Frage. Erst vor einigen Monaten ist im Archiv der Stiftung Liebenau durch die Forschungsstelle „lastseen“ der Freien Universität Berlin ein Farbdia des Fotos entdeckt worden, dass einen größeren Ausschnitt der Szene zeigt. Darauf deutet sich ein Schatten im rechten Bildrand an. Das sei typisch für Aufnahmen aus dem Verborgenen aus dieser Zeit, wie die wissenschaftliche Mitarbeiterin Lisa Paduch von „lastseen“ deutete. Dangelmaier fotografierte aus einem Fenster des damaligen Josefhauses.

 

Bild weltweit angefragt

Szenen, wie die, die Alois Dangelmaier fotografierte, gab es deutschlandweit an die tausend. Doch nur seine Aufnahme ist bislang die einzige, die die Situation unmittelbar vor der Deportation zeigt. Sein Foto ist daher weltweit von vielen Forschungsstellen, Museen, Kommunen, Schulbuchverlagen und Medienschaffenden, die sich mit dem Nationalsozialismus und NS-„Euthanasie“ beschäftigen, angefragt worden. In den Regalen der Stiftung Liebenau stehen mittlerweile unter anderem auch Belegexemplare aus Japan, Australien und den USA.

 

 

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