Das Josefshaus gibt es inzwischen nicht mehr, es wurde in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts abgerissen. Überdauert hat allerdings ein Foto, das ein zu der Zeit in Liebenau weilender Pfarrer aufgenommen hat. Sein Name: Alois Dangelmaier. Er verbrachte seine Urlaube in den Kriegsjahren in Liebenau und war in dieser Zeit dort Seelsorger für die Bewohner und Beichtpriester für die Ordensschwestern. Und er fotografierte. Auch am 2. Oktober 1940.
Identität wurde vor Deportation geprüft
Über 100 Bewohnerinnen und Bewohner standen am 2. Oktober 1940 auf der Transportliste des Innenministeriums. Dem Anstaltsleiter Josef Wilhelm gelang es mit dem Anstaltsarzt Gebhard Ritter und der Schwester M. Fausta 25 Menschen zurückzustellen. Die Übrigen brachte das Liebenauer Pflegepersonal aus ihren Wohnhäusern zu drei ehemaligen Postbussen. Vor dem Einstieg in die Busse an jenem Mittwochmorgen wurde ihre Identität geprüft und Personal der Tötungsanstalt Grafeneck drückte ihnen einen Stempel auf den Unterarm.
Heimlich aufgenommenes Foto
Genau diese Szene hat Alois Dangelmaier fotografisch festgehalten. Dass er es heimlich tat, steht außer Frage. Erst vor einigen Monaten ist im Archiv der Stiftung Liebenau durch die Forschungsstelle „lastseen“ der Freien Universität Berlin ein Farbdia des Fotos entdeckt worden, dass einen größeren Ausschnitt der Szene zeigt. Darauf deutet sich ein Schatten im rechten Bildrand an. Das sei typisch für Aufnahmen aus dem Verborgenen aus dieser Zeit, wie die wissenschaftliche Mitarbeiterin Lisa Paduch von „lastseen“ deutete. Dangelmaier fotografierte aus einem Fenster des damaligen Josefhauses.
Bild weltweit angefragt
Szenen, wie die, die Alois Dangelmaier fotografierte, gab es deutschlandweit an die tausend. Doch nur seine Aufnahme ist bislang die einzige, die die Situation unmittelbar vor der Deportation zeigt. Sein Foto ist daher weltweit von vielen Forschungsstellen, Museen, Kommunen, Schulbuchverlagen und Medienschaffenden, die sich mit dem Nationalsozialismus und NS-„Euthanasie“ beschäftigen, angefragt worden. In den Regalen der Stiftung Liebenau stehen mittlerweile unter anderem auch Belegexemplare aus Japan, Australien und den USA.