Andreas Peteranderl leitet die „Führungswerkstatt” an der Akademie Schloss Liebenau und begleitet angehende Führungskräfte dabei, ihre individuellen Stärken zu erkennen und weiterzuentwickeln. Dabei vermittelt er praxisnahe Ansätze, um Teams nachhaltig zu motivieren und eine wertschätzende Führungskultur zu etablieren. Im Interview spricht er über die Vorteile des stärkenorientierten Führungsansatzes und gibt wertvolle Tipps für eine authentische, wirksame Führung.
Sie haben es bei Ihrer Arbeit häufig mit Führungskräften oder solchen, die es werden wollen, zu tun. Dabei vertreten Sie den Ansatz der Stärkenorientierung. Warum?
Generell halte ich in Organisationen die Orientierung an Stärken für sinnvoll und vor allen Dingen für effektiv, nicht nur bei Führungskräften. Denn gute Leistungen sind sehr viel leichter und mit weniger Aufwand als bei anderen im Bereich persönlicher Stärken möglich. Gerade bei Führungsaufgaben ist die Fokussierung auf Stärken wichtig. Denn das Wesen von Führung ist, Arbeitsbeziehungen zu gestalten, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Wenn ich also mit meinem Team ein Ziel erreichen will, dann ist es erstens gut zu wissen, wer etwas gut kann und somit darin Stärken hat. Der zweite Schritt ist dann zu schauen, wer es auch gern macht. Daraus ergibt sich eine optimale Schnittmenge: Wenn sich Stärken, Kompetenzen und Interessen decken, haben wir eine Win-Win-Situation auf beiden Seiten, bei den Mitarbeitenden und dem Unternehmen.
Sind Stärken so etwas wie Begabungen oder was ist mit Stärken eigentlich gemeint?
Bei „Stärken” – und auch dem Gegenteil „Schwächen” – handelt es sich um Eigenschaften von Menschen, die im Erwachsenenalter relativ stabil sind und sich in unterschiedlichen Situationen und verschiedenen Handlungsfeldern zeigen. Sie können als Eigenschaften im Sinne von Begabungen und Talenten verstanden werden. Worin ich eine Begabung habe, fällt es mir relativ leicht etwas zu tun, leichter als anderen. Ich muss es aber nicht unbedingt gern tun. Persönliche Stärken und persönliche Interessen können sich decken, müssen es aber nicht.
Warum ist es wichtig, sich auf die Stärken zu konzentrieren? Sowohl bei Führungskräften selbst als auch bei Mitarbeitenden aus der Perspektive der Führungskraft?
Wir haben so etwas wie einen Stärkungseffekt, wenn Menschen sich auf ihre Stärken konzentrieren. Wenn ich in einem Bereich arbeite, in dem ich stark bin, komme ich relativ mühelos voran. Das heißt, ich bin in der Regel erfolgreicher und wirksamer als andere und das wiederum ist eine Motivation. Aus der Unternehmensperspektive ist das sehr effektiv. Die Stiftung Liebenau beispielsweise bietet durch die unterschiedlichsten Arbeitsplätze eine sehr große Palette, Menschen ganz unterschiedlich nach ihren Stärken einzusetzen. Auch in einer kleinen Einheit wie in einem Team ist es möglich. Sich dagegen auf Schwächen zu konzentrieren und an ihnen zu arbeiten, ist nicht effektiv, weil man auch mit viel Anstrengung nie das Ergebnis erzielen wird, das man im Bereich der Stärken erreichen kann. Alle wirksamen und erfolgreichen Führungskräfte kümmern sich wenig bis gar nicht um die Schwächen ihrer Mitarbeitenden. Sie können darauf nichts aufbauen.
Wie kann ein Mensch wissen oder herausfinden, wo seine Stärken liegen?
Die meisten Menschen glauben zu wissen, in welchen Bereichen ihre Stärken liegen. Doch diese Einschätzung ist in der Regel falsch. Erfolgversprechender ist es, die bisherigen Aufgaben, Leistungen und Ergebnisse zu betrachten. Dabei können auch andere Personen hinzugezogen werden. In der Führungswerkstatt lade ich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu ein, sich anhand von Leitfragen zunächst selbst zu reflektieren und sich dabei auf die Stärken zu konzentrieren. Für eine Fremdeinschätzung ist es durchaus hilfreich, möglichst unterschiedliche Personen aus dem persönlichen Umfeld zu fragen, die von der eigenen Tätigkeit in den unterschiedlichsten Situationen am meisten mitbekommen. Auch das praktiziere ich in der Führungswerkstatt. In der Personalentwicklung kann das bedeuten, dass sich Führungskraft und Mitarbeitende mal ganz gezielt mit den Stärken auseinandersetzen und Selbsteinschätzung und Fremdeinschätzung ins Verhältnis bringen. Das kann auch dazu führen, dass sich herausstellt, dass die Person in einem anderen Bereich möglicherweise besser aufgehoben ist.
Was sind Ihrer Erfahrung die Hauptmerkmale guter Führungskräfte?
Was Führungskräfte wirklich brauchen ist Beziehungskompetenz. Die Kompetenz Arbeitsbeziehungen zu gestalten um gemeinsam vereinbarte Ziele zu erreichen. Das zweite wäre Selbstreflexion und Offenheit für Feedback. Sprich, dass ich auch über meine Wirkung bei anderen Menschen nachdenke. Denn ich arbeite ja mit Menschen, deshalb muss es mich interessieren, was diese Menschen von mir halten und wie sie mich erleben. Drittens, das wäre jenseits der interaktiven Führung, muss eine Führungskraft zukunftsorientiert sein und sich fragen, was die Herausforderungen sind, die auf uns einströmen und die Arbeit verändern – seien es beispielsweise Gesetzesänderungen oder der demografische Wandel. Und viertens: Humor!
Das Interview führte Susanne Droste-Gräff.