Verstehen – nicht verurteilen: Gitti Mangers Gabe für Systemsprenger
In ihrer Gruppe leben acht Jugendliche, die sich in einer berufsvorbereitenden oder qualifizierenden Maßnahme oder bereits in einer Berufsausbildung befinden. Speziell für diese Gruppe sieht das Konzept ein bis zwei Plätze für Systemsprenger vor. Dort hat Gitti Manger immer wieder mit Jugendlichen zu tun, die unberechenbar und aggressiv sind, permanent Regeln brechen, Drogen konsumieren, gewalttätig oder übergriffig sind. Die Heilerziehungspflegerin kennt ihre Namen, ihre Geschichte, ihre Verhaltensweisen – und auch ihren Schmerz. „Die Grunderfahrung von Systemsprengern ist, immer wieder verlassen und weggeschickt zu werden. Meistens waren die Beziehungen zur Mutter sehr belastet”, erklärt sie.
„Ich gebe sie nicht auf“
Dabei denkt sie zum Beispiel an einen Jungen, der morgens aggressiv und verbal ausfallend war und sich weigerte, zur Schule zu gehen. Oder an ein Mädchen, das offen Drogen und Alkohol konsumierte, Medikamente missbrauchte und lange Zeit nichts auf die Reihe brachte. Gitti Manger erzählt von einem Heranwachsenden, der immer wieder versuchte, das Betreuungsteam zu manipulieren und auszutricksen. „Aber ich sehe es als meine Aufgabe an, mich für sie einzusetzen. Ich gehe in eine Beziehung zu ihnen und bleibe dran. Immer wieder. Ich gebe sie nicht auf.”
Andere erkannten ihr Talent und glaubten an sie
Dass sie eine besondere Begabung für den Umgang mit Systemsprengern hat, war ihr lange Zeit gar nicht bewusst. Es waren andere, die ihr Talent erkannten und benannten. „Du hast keine Angst vor schwierigen Situationen. Du bist empathisch und nicht nachtragend”, hatte ihr ein Vorgesetzter einmal bescheinigt. Damit beschrieb er letztlich zentrale Eigenschaften, die Gitti Manger für ihre Arbeit mit Systemsprengern braucht. Dass sie dieses Talent entwickelt hat, hängt wohl auch mit ihrer eigenen Biografie zusammen. Denn sie hatte selbst eine schwierige und belastete Kindheit. Doch auch damals, in ihrer Berufsfindungsphase als Teenager, gab es Menschen, die ihre Stärken erkannten: „Es gab Leute, denen auffiel, dass ich gut mit Menschen mit Behinderungen zusammenarbeiten kann. Diese Menschen erkannten mein Talent, glaubten an mich und förderten mich, diesen Weg zu gehen”, erzählt sie.
„Je schwieriger die Jugendlichen sind, desto besser kann ich sie verstehen“
Heute ist Gitti Manger selbst diejenige, die Jugendlichen hilft, ihren Weg zu finden. Verweigerungshaltung, Konflikte, Aggressionen oder andere Probleme schrecken sie nicht ab. Wenn zum Beispiel ein Jugendlicher immer wieder durch Lügen auffällt, dann möchte sie auf der persönlichen Ebene herausfinden: „Was hat er für eine Not, dass er meint, lügen zu müssen?” Diese Beziehungsarbeit ist ihr sehr wichtig. Das Mädchen, das einst Drogen nahm, lebt inzwischen ein geregeltes Leben. Gitti Manger hatte sie nicht aufgegeben.
Was sind Systemsprenger?
Als Systemsprenger werden Jugendliche bezeichnet, die wegen ihres problematischen Verhaltens aus allen Systemen wie zum Beispiel Schule oder Familie rausfallen und ihr Umfeld oft an die Grenzen des Zumutbaren bringen. Dahinter verstecken sich meistens biografische Belastungen und seelische Verwundungen.
Das Berufsbildungswerk Adolf Aich
Das Berufsbildungswerk (BBW) Adolf Aich der Stiftung Liebenau begleitet jedes Jahr rund 900 junge Menschen auf ihrem Weg ins Berufsleben und bietet dazu auch Wohnplätze an, zum Teil direkt am BBW-Standort in Ravensburg und zum Teil in Wohngruppen in der Umgebung. In einem dieser Außenwohnheime arbeitet Gitti Manger als Teamleiterin.
Bunt, fachlich fundiert und voller Leben: Erfahren Sie in Interviews und Reportagen mehr über unsere spannende Arbeit in unseren Themendossiers >
Pressekontakt:
Stiftung Liebenau
Abteilung Kommunikation und Marketing
Siggenweilerstr. 11
88074 Meckenbeuren
Telefon +49 7542 10-1181
presse(at)stiftung-liebenau.de