Seitlich streichen für weitere Aufgabenfelder <>

Viel Raum zur Entfaltung

RAVENSBURG - Mehr als nur chillen und abhängen: Freizeitgestaltung im Berufsbildungswerk Adolf Aich (BBW) in Ravensburg. Ein Besuch im Wohnheim-Bistro – dem Dreh- und Angelpunkt vieler Aktivitäten.

Billard im Wohnheim-Bistro

Ein typischer Abend im Wohnheim-Bistro: Am Billardtisch steigt ein spannendes Match, während nebenan Tischkicker gespielt wird.

Musik im Wohnheim-Bistro

Musik darf im Wohnheim des BBW natürlich nicht fehlen: Bei Partys sorgt ein DJ aus den eigenen Reihen für den guten Sound.

„Wie ein klassischer Jugendtreff“
Bunte Billardkugeln stoßen mit einem lauten Klacken aneinander, ein paar Meter weiter steigt eine spannende Tischkicker-Partie, und in einer ruhigeren Ecke hat sich eine Jugendliche an einen der Internet-PCs zurückgezogen. Schräg gegenüber hinter der Bar steht Carlos und verkauft Getränke an die eintrudelnden „Gäste“. Er ist einer der „BTeens“ (B wie Bistro) – so heißen die freiwilligen Helfer, die nach festem Arbeitsplan dafür sorgen, dass der Betrieb hier im Untergeschoss des Wohnheims läuft und man an der Theke auch etwas zu trinken und zu knabbern bekommt. „Es ist eigentlich wie ein klassischer Jugendtreff“, erklärt Wohnheim-Mitarbeiter Claudius Hacker das Konzept hinter dem Bistro, das regulär abends von Montag bis Donnerstag geöffnet hat – im offenen Betrieb oder auch mal mit besonderem Programm.

Gemeinsame Aktivitäten und viel Musik
So gibt es ein bis zwei Aktionstage pro Woche. Bastel-Angebote, gemeinsames Kochen, Filmabende oder auch Motto-Partys. Dann gibt ein DJ den Ton an. Auch Ausflüge stehen hin und wieder an, seien es ein Konzertbesuch oder eine Stippvisite ins Ravensburger Jugendhaus. Mit dem dortigen Musikstudio kooperiert das BBW. Das bedeutet: Jugendliche können eigene Produktionen aufnehmen und an ihren Songs feilen. Im Berufsbildungswerk selbst gibt es zudem eine Band-AG. Auch sonst ist viel Musik drin. Mit Livebands und einem bunten Programm steigt zum Beispiel ein jährliches Sommerfest im Innenhof des Wohnbereichs.

Institution Wohnheim-Bistro
Abseits dieser Highlights ist das Bistro der alltägliche Treffpunkt schlechthin für die jungen Frauen und Männer, die im BBW ihre Berufsvorbereitung oder Ausbildung machen – und zwar schon seit vielen Azubi-Generationen. Auch Claudius Hacker ist bereits seit zwölf Jahren mit an Bord. So war das Bistro damals sein Praxisprojekt im Anerkennungsjahr zum Jugend- und Heimerzieher. Und heute ist der 36-Jährige neben seinem Job auf der Wohngruppe für einen Teil seiner Arbeitszeit als Verantwortlicher für den hauseigenen Jugendtreff abgestellt.

Freizeit als Lernfeld und Wert
„Das Wohnheim bietet unseren Teilnehmenden nicht nur ein Bett“, betont Wolfgang Dreyer, Leiter des Bereichs Wohnen und Freizeit im BBW. „Wir machen hier für sie vielfältige Freizeitangebote und decken damit den Bedarf nach Spaß, Hobbys, aber auch Mitgestaltung und -verantwortung.“ Die eigene Freizeit sinnvoll zu nutzen, diese abstrakte Forderung komme bei den Jugendlichen nicht an, so Dreyer. Stattdessen gehe es darum, über konkrete Angebote ganz praktisch den Wert von Freizeit erlebbar zu machen und über Beständigkeit ein Gefühl für gute Freizeitgestaltung zu vermitteln – also Struktur in alle Bereiche des Lebens, beruflich wie privat, zu bringen.

Schneller, höher, weiter – das muss nicht sein
Und so verberge sich hinter den Aktivitäten ein pädagogischer Mehrwert, weshalb der Freizeitbereich auch in den Augen der Kostenträger eine durchaus große Rolle spiele. „Freizeit ist immer auch ein Lernfeld“, so Wolfgang Dreyer. Und hierbei gebe es im BBW ein breites Spektrum – „von der Kreativ-AG bis zum Klettern“. Das große Spektakel sei dabei gar nicht unbedingt nötig. „Es braucht so etwas wie ein verlässliches Grundangebot, und da sind wir meine ich gut aufgestellt“, sagt Dreyer und betont: „Ein ‚Schneller, höher, weiter‘ muss es nicht immersein.“ Claudius Hacker pflichtet dem bei: „Die Jugendlichen schätzen es auch, wenn das Bistro einfach ‚nur‘ auf hat.“ Man müsse „nicht immer eine Wahnsinnsaktion“ starten, sondern „einfach Raum bieten zur Entfaltung“.

Aktive Mitarbeit und Mitverantwortung
Raum zur Entfaltung bietet Carlos und seinen Mitbewohnern auch die Mitarbeit im Bistro-Team. Denn alle „B-Teens“ sind aktiv beteiligt an den Programmplanungen und den Besprechungen – und sie entscheiden mit: Welche Snacks werden gebraucht? Was wünschen sich die Jugendlichen? Eigene Vorschläge sind erwünscht. „Die Jugendlichen identifizieren sich so mit ‚ihrem‘ Bistro und sorgen mit ihren Ideen dafür, dass wir am Puls der Zeit bleiben“, sagt Claudius Hacker. Und sie merken schnell, dass das „B-Teen“-Dasein mit Verantwortung verbunden ist: „Wenn ich nicht zum Thekendienst erscheine, gibt es im Bistro nichts zu trinken.“ Das Gleiche gelte auch für andere Freizeitgruppen wie die Band-AG: „Wenn da der Schlagzeuger nicht kommt, kann der Rest nichts machen.“ Das Mitmachen ist zwar bei allen Angeboten absolut freiwillig,
doch wenn man sich für eine Aktivität entscheidet, müssen Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit sein. Werte, die im BBW also auch außerhalb des Ausbildungsalltages gelebt und eingefordert werden.

Viele motivierte Jugendliche
Zumindest bei seiner Bistro-Truppe kann Hacker da nicht klagen: „Wir haben einen echt motivierten Stamm von rund 15 Jugendlichen, auf den wir bauen können“, freut er sich und berichtet von einem weiteren interessanten Aspekt rund ums Bistro: „Wir haben unter den ‚B-Teens‘ auch einige Asperger-Autisten, die sich bewusst für den Thekendienst eintragen, weil dieser sie dazu zwingt, mit anderen zu kommunizieren – nach dem Motto: ‚Da muss ich was sagen‘.“

Offenes Ohr für die Jugendlichen
Was besondere Unternehmungen angehe, sei der innere Schweinehund bei manchem Jugendlichen dagegen schon auch mal ausgeprägter: „Vieles erfordert wahnsinnig viel an Motivationsarbeit im Vorfeld“, lacht der Jugend- und Heimerzieher. Wenn es dann aber losgegangen sei mit der Aktion, „dann sind sie alle ganz begeistert“. Auch für sich selbst empfindet Hacker die Freizeitarbeit mit den Heimbewohnern als bereichernd. Und für die jungen Menschen seien Aktivitäten abseits des Wohnheimalltages eine Möglichkeit, ihren Betreuern in einem ganz anderen Umfeld und auf noch persönlicherer Ebene zu begegnen. Claudius Hacker spricht da aus Erfahrung: „Es vergeht kein Tag, an dem sich nicht ein Jugendlicher an mich wendet, weil er ein offenes Ohr braucht.“


Diesen und weitere Artikel zum Thema Freizeit im Berufsbildungswerk finden Sie in der Ausgabe 1/2019 unseres Magazins „Auf Kurs“, das Sie hier kostenlos lesen und herunterladen können – als PDF oder E-Book:

 

 

Inklusion ist bunt, vielfältig – und niemals langweilig. Wie lebendig Inklusion in der Stiftung Liebenau umgesetzt wird, lesen Sie in unserem Newsletter „Liebenau inklusiv“ > 

 


Pressekontakt:
Stiftung Liebenau
Abteilung Kommunikation und Marketing
Siggenweilerstr. 11 
88074 Meckenbeuren 
Telefon +49 7542 10-1181
presse(at)stiftung-liebenau.de