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Naturnahes Firmengelände

Mit einem naturnah gestalteten Firmengelände möchte das Berufsbildungswerk in Ravensburg (BBW) Lebensräume für die heimische Tier- und Pflanzenwelt erhalten und damit dem Artensterben entgegenwirken. Mitarbeitende und Bewohner sollen für das Thema Biodiversität sensibilisiert werden.

Blumenwiese statt Betonwüste: Naturnahes Firmengelände fördert Biodiversität

Nach dem Motto „jeder noch so kleine Beitrag zählt“ hat sich das Berufsbildungswerk der Stiftung Liebenau (BBW) mit Unterstützung der Bodenseestiftung Radolfzell und der Elobau- Stiftung dazu entschlossen, sein weitläufiges Firmengelände in Ravensburg naturnah zu gestalten. Auf diese Weise möchte die Einrichtung zum Erhalt und zur Steigerung der biologischen Vielfalt beitragen und die Mitarbeitenden und Teilnehmenden für das Thema Biodiversität sensibilisieren. Hinter diesem Begriff verbirgt sich die gesamte biologische Vielfalt an Tier-, Insekten- sowie Pflanzenarten und deren Lebensräume. Naturnah gestaltete Räume haben nicht nur einen ökologischen Wert, sondern können und sollen auch zu einem Ort der Entspannung und Erholung für alle werden.

Bunte Blütenpracht

Mit der Einsaat einer Blühwiese im Eingangsbereich des BBW startete im September 2020 das Projekt „naturnahes Firmengelände“. Während im ersten Jahr danach sich alle Besucher, Mitarbeitenden und Bewohner an der herrlichen Blütenpracht erfreuten, fällt diese im folgenden Jahr nicht ganz so üppig aus. „Das zweite Jahr ist immer das schwierigste. Das ist eine kurze Durstphase. Ab dem dritten Jahr wird die Blüte dann beständig“, weiß Myriam Bell, Psychologin im BBW und Initiatorin des Projektes. Gemeinsam mit ihrer sechsköpfigen Arbeitsgruppe „Naturnahes Firmengelände“ kümmert sie sich um die Umsetzung einzelner Teilprojekte und bringt gewerkübergreifend die Mitarbeitenden und Azubis zusammen.

Krokusse

Etwa 40 verschiedene heimische Pflanzenarten wie Kornblume, Schafgabe, wilde Möhre, Lichtnelke oder Margarite wurden als erste Maßnahme auf der Eingangswiese ausgesät. Während diese Fläche nur zweimal im Jahr gemäht wird, verläuft knapp neben dem Weg ein sogenannter „Akzeptanzstreifen“ mit kurz geschnittenem Gras, der dem Betrachter die regelmäßige Pflege der Flächen sichtbar macht. Dieser Streifen wurde mit Krokuszwiebeln bepflanzt. „Die blühen sehr früh im Jahr. Das ist wichtig für die früh fliegenden Insekten“, erklärt Myriam Bell. Auf diese Weise ist fast das gesamte Jahr blühend abgedeckt und Wildbienen und Insekten können Nahrung finden.

Heimische Arten bevorzugt

Spezielle Gestaltungsprinzipien und Pflegeroutinen sorgen bei dem naturnahen Firmengelände dafür, dass Lebens-, Nahrungs- und Schutzräume für Pflanzen und Tiere erhalten oder sogar erschaffen werden. Neben dem Verzicht auf Kunstdünger und Pestizide ist es bei der Bepflanzung besonders wichtig, auf möglichst große Vielfalt zu achten und nur heimische und standortgerechte Pflanzen auszuwählen. „Die hiesigen Insekten sind auf die Blühpflanzen hier abgestimmt. Ihr Mundwerkzeug passt nicht zu exotischen Pflanzen“, erklärt Myriam Bell. Und tatsächlich- wer einen Augenblick ruhenden Auges auf der Blühwiese verweilt, nimmt nach einer Weile den regen Flugverkehr wahr. Auch das große, selbst gebaute Insektenhotel direkt am Eingang zum BBW beherbergt reichlich fliegende Gäste.

Brut- und Futterstellen für Vögel

Eine intakte Insektenfauna ist nicht nur für das Bestäuben von Blüten wichtig, sondern ist auch für das Überleben einiger Vogelarten existentiell. Das schnell voranschreitende Insektensterben und immer weniger natürliche Futterquellen für Vögel machen eine Zufütterung gerade in der Brutzeit und im Winter unerlässlich. Dementsprechend wurden auf dem gesamten Gelände des BBW Futterstellen installiert, aber auch an Brutstellen wurde gedacht. „Wir konnten glücklicherweise Experten vom NABU gewinnen, die uns zum Standort und zur Bauweise beraten haben“, erzählt Myriam Bell. Die 40 selbst gebauten Nistkästen werden von Meisen, Spatzen, Staren und Kleiber reichlich frequentiert. 

Unterstützung von allen Seiten

Ein Artikel über Vogelschwund und Insektensterben hat Myriam Bell inspiriert, selbst aktiv zu werden. Nachdem sie sich im heimischen Garten und ihrem Wohnort bereits engagiert hatte, kam ihr der Gedanke, die naturnahe Gestaltung auch an ihrem Arbeitsplatz einzuführen. Hier rannte sie quasi offene Türen ein. Angefangen bei der Geschäftsführung, die natürlich vorab gefragt werden musste, bis hin zu den Azubis – alle waren und sind begeistert. Die gewerkübergreifende Zusammenarbeit fördert den Teamgeist, Azubis und Mitarbeitende identifizieren sich mehr mit der Einrichtung und fühlen sich verantwortlich. Die selbst gebauten Ruhemöbel laden zum Verweilen in der Natur ein und dienen der Entspannung und Erholung. Kurzum: Das Thema Biodiversität ist im BBW angekommen. „Die Zeit ist einfach reif für so was“, resümiert Myriam Bell.

Abgeschlossene und laufende Projekte
 

Artenreiche Blumenwiese

Vogelnistkästen

Vogelfutterstellen

Schwalbenhaus

Kräuterspirale

Krokuszwiebeln

Sitzgelegenheiten im Freien 

Grünes Klassenzimmer
 

 

Kontakt

Myriam Bell

Liebenau Berufsbildungswerk

gemeinnützige GmbH

Fachdienst Diagnostik und Entwicklung

Schwanenstraße 92

88214 Ravensburg

Telefon  +49 751 3555-6265

myriam.bell(at)stiftung-liebenau.de

Liebenau Berufsbildungswerk gemeinnützige GmbH

Das Berufsbildungswerk der Stiftung Liebenau in Ravensburg macht Menschen mit Lernbehinderung, psychischen Störungen (zum Beispiel Autismus und ADHS) oder sozialer Beeinträchtigung, Arbeitslose, Wiedereinsteiger sowie Arbeitnehmer und Arbeitsuchende, die sich beruflich qualifizieren möchten, fit für den allgemeinen Arbeitsmarkt und die Teilhabe an der Gesellschaft.

Text: Kerstin Schwier
Quelle: Jahresbericht 2021