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Eine besondere Schwester

Andrea Sauter, die etwas schläfrig im Rollstuhl sitzt, scheint ihre Gesellschaft und die warme Temperatur zu genießen. Sonnenstrahlen streifen ihr Gesicht. Dabei ist die rechte Hand der zierlichen Frau auf der Suche – auf der Suche nach der Hand der Schwester, die die schwerbehinderte Frau schiebt. „Unsere typische Art der Berührung, wenn wir uns treffen“, sagt Marlies Sauter, als sich die Hände halten. Sie besucht ihre 55-jährige Schwester regelmäßig in der Wohngruppe der Stiftung Liebenau. Bei schönem Wetter gehen sie spazieren mit dem Glashaus-Café in Liebenau als Ziel. Andrea Sauter kann sich nur sehr eingeschränkt mitteilen. Ihre Schwester sieht eine ihrer Aufgaben darin, Sprachrohr für ihre Schwester zu sein: Die beiden haben eine besondere Schwesterbeziehung.

Typisch für die Begegnungen der Schwestern: Ihre Hände suchen sich gegenseitig und unentwegt.

Die Tagesverfassung von Andrea Sauter ist ganz unterschiedlich: Wenn sie nicht schläfrig ist, nimmt sie in aufrechter Haltung und aufmerksam am Geschehen teil.

Andrea Sauter wird über eine PEG-Sonde ernährt, pürierte Nahrung kann sie zu sich nehmen. Nur bei Flüssigkeiten besteht die Gefahr des Verschluckens.

Andrea Sauter ist seit ihrem Schlaganfall halbseitig gelähmt. Ihre rechte Seite ist aber sehr beweglich wie eh und je.

Immer dabei
Das war schon immer so: Ihre Bindung ist von Kindesbeinen an sehr eng. Über Wiesen und in Wäldern seien sie als Kinder unterwegs gewesen. Marlies Sauter hatte die kleine Schwester immer im Schlepptau. Erst als Andrea ein Jahr alt war, wurde ihre Behinderung konkret benannt: Trisomie 21. Auch ihr Sehvermögen war eingeschränkt. Nach mehreren missglückten Operationen verlor sie ihr Augenlicht fast komplett. Marlies Sauter beschreibt die Schwester so, dass man ein aufgewecktes Kind vor sich sieht, das gerne schaukelt und dabei die Umwelt an seinem Glück teilhaben lässt. Ein Kind, das auf Geräusche reagiert und gerne Schlager der 60- und 70er Jahre hört. „Als Kleinkind robbte sie zu einem Sonnenstrahl, den sie entdeckte, und war glücklich, als sie bei ihm war“, schildert die Schwester.

 

Aufgewachsen bei der Familie
Inklusion habe man in ihrer Familie immer gelebt. Besucher hätten sich stets um Andrea versammelt, die ihren Lieblingsplatz in der heimischen Wohnküche hatte. Auch habe sie schon früher immer deutlich gezeigt, wen sie mochte und wen nicht. „Empathische und sensible Menschen hat sie zu sich hergezogen und gedrückt.“ An der Intensität konnte man schon damals das Maß ihrer Zuneigung ablesen. Dann erlaubte es die Erkrankung des Vaters nicht mehr, die Tochter weiterhin zu Hause zu betreuen. In das Fachzentrum der Stiftung Liebenau nach Rosenharz kam sie mit 24 Jahren. Seit 2012 lebt Andrea Sauter im Fachzentrum in Liebenau.

 

Extrem beweglich
Seit ihrem Schlaganfall im Jahr 1988 ist sie halbseitig gelähmt. Pürierte Nahrung kann Andrea Sauter essen. Zum Teil wird sie auch über eine PEG-Sonde ernährt. Nur Flüssigkeiten darf sie nicht zu sich nehmen, wegen der Gefahr der Aspiration, also sich zu verschlucken. Doch ihre rechte Seite ist beweglich wie eh und je. „Sie saß schon immer wie ein Buddha“, scherzt die Schwester über das stark angezogene, fast gummiartig wirkende Bein im pinkfarbenen Sportschuh. Sie sei immer so beweglich gewesen und früher auch mobil, wenn man sie geführt habe. 

 

Ein wichtiger Teil der Gruppe
Tagsüber besucht Andrea Sauter den Förder- und Betreuungsbereich in Liebenau, wo sie unter anderem basale Angebote erhält, die sie sehr genießt. In der Wohngruppe ist sie wichtiger Teil, wie Fachkraft Alexandra Vetter erklärt. Sie beschreibt Andrea Sauter als aufgeweckt und sehr aufmerksam. „Und sie weiß, was sie will.“ Sind ihr Menschen sympathisch, ist eine feste Umarmung gewiss. „Manchmal zieht sie einen dabei sogar ins Bett“, lacht Alexandra Vetter. Gegen diesen innigen und gleichzeitig stürmischen Ausdruck der Zuwendung sei kein Ankommen möglich. 

 

Bewunderung für die Schwester
„Ich bewundere meine Schwester für ihre Zufriedenheit und Ausgeglichenheit. Sie ruht in ihrer Mitte“, erzählt Marlies Sauter. Neben den Eltern, die mittlerweile verstorben sind, war sie kontinuierlich an der Seite der Schwester. Sie machten gemeinsame Ausflüge in die nähere Umgebung. Oft war ein Patenkind oder eine Freundin bei den Besuchen dabei. Heute begleitet sie häufig eine Cousine, manchmal auch eine Großcousine oder eine Freundin. Auch die jährliche einwöchige Ferienfreizeit der Stiftung Liebenau genossen sie immer zusammen. Rund um die Uhr zusammen zu sein, nennt Marlies Sauter „barrierefreie Begegnung“. Entferntere Ausflüge sind nicht mehr möglich. Wenn das Wetter keinen Spaziergang zulässt, bleiben die beiden in Andreas Zimmer. Dort kuscheln sie auch miteinander. Mitarbeiterin Alexandra Vetter ist von der Nähe der Schwestern fasziniert. 

 

 

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