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Zeit und Veränderung

von Prälat Michael H. F. Brock – Zeit ist gnadenlos. Auf die Sekunde genau sagt uns die Zeit den Augenblick unserer Geburt und den Zeitpunkt des Todes. Ansonsten eilen wir durch die Zeit, schleppen uns durch die Zeit, genießen wir die Zeit, erarbeiten uns die Zeit, gewähren Zeit, erobern Zeit und manchmal meinen wir, wir könnten sie besitzen. Aber im Grunde wissen wir alle: Wir haben die Zeit nicht, wir besitzen sie nicht. Wir dürfen in ihr leben. Zeit ist nur der Rahmen unseres Lebens, aber nicht das Leben selbst. Das Leben aber ermisst sich nicht in der Zeitspanne unseres Lebens. Zeit an sich hat keine Qualität. Zeit schreitet davon. Ist nicht verfügbar und endet auch nicht im Augenblick des Todes. Zeit geht einfach über uns hinweg. Zeit ist gnadenlos.

 

Aber Zeitpunkte sind wichtig. Augenblicke, Tage, Monate, Jahre. Wir sind wichtig in der Zeit. Die Qualität von Zeit ist Leben. Und Veränderung bestimmt unser Leben. Ob wir wollen oder nicht. Wir verändern uns in der Zeit. Aber wir nehmen die Veränderung unterschiedlich war. Manches wollen wir verändern. Wir treffen Entscheidungen, schlagen neue Wege ein, bleiben stehen, gehen vorwärts oder einfach in eine andere Richtung. Das sind Veränderungen, die wir meist positiv bewerten, wir fühlen uns aktiv und selbstbestimmt. Das gefällt uns. Aber Veränderung kommt auch fremdbestimmt auf uns zu. Ereignisse verändern uns. Die Pandemie hat uns verändert, Erdbeben, Krieg. Veränderung fragt uns nicht. Krankheit fragt nicht und der Tod schon gar nicht. Schmerzlich erfahren wir den Tod anderer Menschen, Freunde, Verwandte. Unterschiedlich reagieren wir auf Veränderung. Da gibt es keine Regel. Wir wollen festhalten, können loslassen. Wir verändern uns gern, traurig, glücklos und manchmal begeistert.

 

Aber was, wenn wir uns der Veränderung verweigern? Was geschieht mit uns, wenn wir Veränderung nicht ertragen können? Ich möchte bleiben, wie ich bin und verändere mich doch. Ich möchte keine Abschiede mehr und Menschen verabschieden sich doch. Ich mag das Alter, wie ich die Jugend mochte und werde doch alt und mag nicht alt sein. Ich bin gesund und werde doch krank. Ich achte den Augenblick und verdränge doch den Gedanken, dass Krankheit mein Leben bestimmen könnte. Ich weiß, dass das Leben sterblich ist und mag nicht daran denken, dass auch mein Leben begrenzt ist. Ich werde sterben. Die letzte oder vorletzte Veränderung. Das ist Glaubenssache. Schluss, Aus, Ende oder Eintritt in die Ewigkeit.

 

Ich höre den Zeiger ticken, unerbittlich und weiß, eines Tages tickt meine letzte Sekunde. Es wird nicht das Ende der Zeit sein, aber meine Zeit wird enden. Ich weiß, dass mein Leben sich ständig verändert, dass ich mich verändere. Weh dem, der keine Veränderung mag. Jener wäre verdammt, sich eines Tages selbst nicht mehr leiden zu können, weil er im Widerstand gegen das lebt, was das Leben ausmacht: Zeit und Veränderung. Und also kann ich mich nur für die Qualität des Lebens entscheiden. Ich beginne ein wenig behutsamer durch die Zeit zu gehen, weil ich spüre, dass die Gedanken an das Ende der Zeiten, die ich erleben darf, näher kommen. Ich möchte den Veränderungen in meiner Lebenszeit nicht angstvoll begegnen. Ich genieße jeden Tag, die Menschen um mich, meine Aufgaben und Gedanken, und ich beginne die Menschen meiner Zeit immer tiefer in mein Herz zu lassen. Sie sollen spüren, dass sie mir etwas bedeuten. Die eigene Verletzbarkeit schreckt mich nicht mehr. Ich weiß, wie menschlich sie ist. Und ich will ja schließlich Mensch sein und bleiben. So sei mir willkommen in meinem Leben: Veränderung! Noch bleibt Zeit das Leben zu umarmen.

 

 

Autor: Prälat Michael H. F. Brock
gelesen von: Prof. Dr. Janina Loh
Quelle: Anstifter 1/2023

 

 

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