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"Ich bekomme heute noch Gänsehaut" – Die Ruhelose ist angekommen

NEUTANN/WOLFEGG – Leicht zu finden ist Neutann bei Wolfegg in Oberschwaben nicht. Aber dann: Idylle pur, ruhig, abgeschieden, ein kleines Paradies mitten im Wald. Hier leben neben dem alten Schlösschen in einer villenartig gestalteten Anlage 30 Menschen mit Demenz in drei offenen Wohngruppen. Geleitet wird das Haus seit drei Jahren von der Pflegepädagogin Alexandra Büchler, die hier ihre berufliche Erfüllung gefunden hat und gar nicht mehr weg will.

Für Alexandra Büchler, Leitung des Domizils für Menschen mit Demenz in Neutann, ist es das A und O , die Menschen zu respektieren, Autonomie und Fürsorge wohl abzuwägen.

Für Alexandra Büchler, Leitung des Domizils für Menschen mit Demenz in Neutann, ist es das A und O , die Menschen zu respektieren, Autonomie und Fürsorge wohl abzuwägen.

Würde und Respekt

Eine hohe Hecke umschließt die drei miteinander verbundenen hellen Häuser und den, von mäandernden Wegen durchzogenen Park. Wer hier zufällig vorbei wandert, kann dem Impuls, einen Hüpfer zu machen, um einen Blick über die Hecke zu erhaschen kaum widerstehen. So ein bisschen erinnert das Ensemble an den Kanzlerbungalow in Bonn. Aber hier wohnen 30 Frauen und Männer mit Demenz. Sie alle brauchen Unterstützung, um sicher und gut leben zu können. Für Alexandra Büchler sind Würde und Respekt kein theoretisches Konzept, sondern exakt das, "was wir vorleben, damit sie mit ihrer Krankheit sein zu dürfen, wie sie können und wollen." Die Rede ist von einer Krankheit, die es ab einem bestimmten Stadium nicht mehr erlaubt, ohne Hilfe oder gar allein zu sein. Eine gnadenlose Krankheit, die das Individuum hilflos macht, das Wesen verändert, die Sprache raubt, Erinnerung nimmt und Orientierung im Alltag. Eine, die auch von den Nächsten alles abfordert und viele irgendwann auch überfordert. "Ab hier sind wir da mit unserer ganzen Professionalität, unserer Empathie und mit Zuwendung", betont Alexandra Büchler.

 

"Ich wusste sofort, hier will ich arbeiten"

Die studierte Pflegepädagogin verfügt über einen großen Erfahrungsschatz, den sie sich im Laufe ihres Berufslebens angeeignet hat. So unterrichtete die 51jährige in der Pflegefortbildung und bildete in einer Pflegeschule junge Pflegerinnen und Pfleger aus. "Eine tolle Aufgabe, aber ich wollte zurück in die Praxis." Und so leitete sie im Lauf der Jahre verschiedene Häuser für alte und ältere Menschen, war in Nürnberg für eine Flüchtlingsunterkunft zuständig und hat in der Münchener Erstaufnahme Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter betreut. "Ich hatte überall das Gefühl, ich bin am richtigen Platz", betont sie. Und doch hatte sie eines Tages das Wochenendpendeln satt. Alexandra Büchler wollte wieder "sesshaft"werden. Denn Zuhause ist sie in Meckenbeuren. Hier leben ihr Mann und ihre inzwischen erwachsene Tochter. Eine Initiativbewerbung bei der Stiftung Liebenau wurde prompt beantwortet. Die Regionalleiterin Heidi Maier bot ihr die Leitung des Domizils für Menschen mit Demenz in Neutann an. Alexandra Büchler erinnert sich: "Frau Maier lud mich ein, das Haus anzusehen. Wir kamen an und ich wusste sofort, hier will ich arbeiten. Das war ein unbeschreibliches Gefühl. Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke."

 

"Wir finden immer einen Weg"

Von einer Aufgabe wie dieser hat sie immer geträumt. Und als ob es eine Bestätigung brauchte: Eine Frau kommt auf sie zugestürmt, umarmt sie heftig, will Alexandra Büchler küssen. "Heute mal bitte ohne Küssen", sagt die. Die Frau grinst und sagt: "Es lohnt sowieso nicht." Einige Minuten später kommt sie strahlend zurück, geht aber zackig vorbei. Alexandra Büchler bleibt völlig entspannt. Noch ein bisschen später sitzt die gleiche Frau in einer Ecke auf einem Stuhl, offenbar in ein gestenreiches Zwiegespräch mit einem imaginären Gegenüber vertieft. "Hier bestimmen die Menschen die Interaktion, wir müssen uns darauf immer neu einstellen." Es sei das A und O dieser Aufgabe hier, die Menschen zu respektieren, ihre Autonomie und unsere Fürsorge wohl abzuwägen. Ein Balanceakt, den alle hier leisten müssten. Auch dann, wenn Freundlichkeit plötzlich in Aggression umschlägt und man nie weiß, was der Anlass war. "Wir finden immer einen Weg. Das ist aber nicht nur erlerntes Handwerkszeug, sondern ebenso viel Empathie und Intuition. Je mehr wir über unsere Gäste wissen, desto besser gelingt es uns." Alexandra Büchler ist stolz auf ihr Team, das ihre Herangehensweise teilt. "Sie alle sind einfach toll, geben wirklich ihr Bestes und lassen unsere Gäste sein wie sie sind."

 

Angekommen

Ihre Freizeit verbringt Alexandra Büchler am liebsten auf dem Sozius der Harley Davidson ihre Mannes. Dann lässt sie sich den Fahrtwind um die Nase wehen, die Landschaften an sich vorbeiziehen und fühlt sich frei. Sie ist angekommen und würde am liebsten genau an diesem Ort bleiben: In Neutann bei all den Menschen für die sie mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Tag für Tag da ist. Ganz egal, ob sie morgen noch wissen, wer sie ist und was sie hier will.

 

 

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